Am 23. Februar wurde im Rahmen des Projekts „Ewige Zuchthäusler?!“ in der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel ein erster Workshop zur Thematik der Entschädigungszahlungen für Justizverurteilte durchgeführt. Dafür kam eine Gruppe von Studierenden der TU Braunschweig, die das Seminar Justiz im Freistaat Braunschweig 1933-1945 unseres Projektpartners Dr. Thomas Kubetzky besuchen, in die Gedenkstätte.
Nach der Begrüßung durch das Projektteam führte Janna Lölke zur Einführung durch die Dauerausstellung. Durch das Seminar von Dr. Thomas Kubetzky waren viele Anknüpfungspunkte bei den Studierenden vorhanden und konnten durch die Dauerausstellung, welche die Geschichte des ehemaligen Strafgefängnisses und der Hinrichtungsstätte Wolfenbüttel sowie die Rolle von Justiz und Strafvollzug im Nationalsozialismus und deren Kontinuitäten und Brüche thematisiert, vertieft werden. Am Beispiel von Karl Spilker zeigte Janna Lölke auf, wie schwierig es für NS-Opfer und die in diese Kategorie fallenden NS-Justizverurteilten war, Entschädigungszahlungen zugesprochen zu bekommen. Karl Spilker äußerte sich kritisch über Hitler und den Nationalsozialismus und wurde am 4. Juli 1944 verhaftet. Aufgrund des Kriegsendes und seiner BefreiungBefreiung Belgien: Das komplette Staatsgebiet Belgiens wurde am 4. Februar 1945 befreit. Niederlande: Im September 1944 konnte durch die Alliierten nur ein kleiner Teil im Süden der Niederlande befreit werden. Das restliche Staatsgebiet wurde am 5. Mai 1945 befreit. Norwegen: Die Besatzung endete mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945. am 12.04.1945 kam es nicht mehr zu einem Prozess vor dem Volksgerichthof. Karl Spilker erhielt in der Nachkriegszeit aufgrund von Vorstrafen weder eine Haftentschädigung, noch wurde er als politischer Häftling anerkannt.
Daran anschließend gab das Projektteam eine Einführung zu Entschädigungsregelungen in der frühen BRD. Zu Beginn stellte Dr. Johann Custodis den Studierenden anhand eines Zitates von Alf Pahlow Andresen, norwegischer Nacht- und NebelNacht- und Nebel-Gefangene Mindestens 7.000 des Widerstands verdächtigte Personen aus Frankreich, den Beneluxländern und Norwegen wurden in Folge des „Nacht- und Nebel“-Erlasses vom 7. Dezember 1941 ins Deutsche Reich verschleppt und dort inhaftiert. Sie wurden komplett isoliert, bekamen anstatt ihres Namens eine Nummer und durften keinen Kontakt zu Angehörigen, Mitgefangenen und zur Außenwelt aufnehmen. Viele starben in der Haft oder wurden zum Tode verurteilt und hingerichtet. Gefangener und in Wolfenbüttel Inhaftierter dar, wie NS-Justizopfer ihren Kampf um gesellschaftliche Anerkennung und Entschädigung empfanden und hob dadurch auch die Notwendigkeit des Projekts „Ewige Zuchthäusler“ hervor. David Paul stellte die Entschädigungsregelungen der BRD von 1945 bis 1969 mit einem Fokus auf die britische Zone bzw. das spätere Niedersachsen dar, um die Teilnehmer_innen auf die Anträge in den Entschädigungsakten vorzubereiten. Dr. des. Friederike Apelt ging abschließend auf das BundesentschädigungsgesetzBundesentschädigungsgesetz BEG Das rückwirkend ab Oktober 1953 geltende Gesetz war das erste bundeseinheitliche geltende Entschädigungsgesetz für Menschen, die während des Nationalsozialismus Enteignung, Zwangsarbeit, Deportation und Lagerhaft erleiden mussten. Anspruchsberechtigt waren Personen, die zum 31. Dezember 1952 oder davor ihren Wohnsitz im Bundesgebiet bzw. im früheren Deutschen Reich hatten sowie ihre Hinterbliebenen. Ausländische NS-Verfolgte waren von dem Gesetz somit zum großen Teil ausgeschlossen. von 1956 und die darin definierten anspruchsberechtigten Personen, Schadenstatbestände und Verfolgungsgründe sowie den Forschungsstand des Projekts ein.
Nach diesem Input bearbeitenden die Studierenden anhand von Leitfragen Entschädigungsakten von in Wolfenbüttel Inhaftierten aus dem Niedersächsischen Landesarchiv, Abteilung Wolfenbüttel mit dem Ziel, die komplexen Entschädigungshergänge nachzuvollziehen, zu reflektieren und in den gesellschaftlichen Kontext einzuordnen. Die Entschädigungsakten bildeten dabei ein breites Bild an Verfolgungsgründen wie zum Beispiel ein Vergehen gegen das Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen, ein Vergehen aufgrund von Landesverrat oder ein Vergehen gegen die Kriegswirtschaftsverordnung und darum auch unterschiedliche Entschädigungsvorgänge ab. Abschließend wurden die Entschädigungshergänge anhand von Entscheidungskriterien durch die involvierten Behörden, Verfahrenshintergründen und Rückschlüssen auf das persönliche Empfinden der Antragsteller_innen durch die Studierenden präsentiert.
Zu diesem ersten Workshop sagte Larissa Ornat B.A., Studentin der TU Braunschweig:
„Der Workshop war ein sehr gelungener Abschluss des Seminars. Neben dem informativen Überblick zur Entwicklung der Entschädigungsregelungen, stach für mich ebenfalls die Gruppenarbeit mit konkreten Fällen besonders hervor. Dadurch wurde deutlich, dass hinter diesen Statistiken, Zahlen und Akten stets menschliche Schicksale stehen und die Folgen nationalsozialistischer Justiz für die Betroffenen und ihre Angehörigen nicht mit dem Jahre 1945 beendet sind. Ich bin gespannt, welch interessanten Einblicke das kommende Seminar noch bieten wird!“
Wir freuen uns über die gelungene Kooperation mit der TU Braunschweig und den spannenden Austausch mit den Studierenden.