Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 3002 Nr. 643621
Leben vor der Haft
Wilfred Jensenius wurde am 10. Januar 1911 in Oslo als das jüngste von vier Kindern geboren. Er arbeitete in Oslo als Zeichner und Karikaturist und begann in den frühen 1930er Jahren eine Karriere in der Filmindustrie als Regisseur und Produzent. Nach seiner Heirat 1938 wurde die Tochter Elisabeth 1939 geboren. Nur wenige Tage nach der deutschen Besatzung Norwegens floh die Familie Jensenius im April 1940 nach Schweden.
Widerstand durch Karikaturen
Wilfred Jensenius arbeitete in Stockholm als Karikaturist für die Zeitung Nordens Frihet (Die Freiheit des Nordens), die eine kritische Haltung gegenüber dem Faschismus einnahm und die BefreiungBelgien: Das komplette Staatsgebiet Belgiens wurde am 4. Februar 1945 befreit. Niederlande: Im September 1944 konnte durch die Alliierten nur ein kleiner Teil im Süden der Niederlande befreit werden. Das restliche Staatsgebiet wurde am 5. Mai 1945 befreit. Norwegen: Die Besatzung endete mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945. Skandinaviens von der deutschen Besatzung unterstützte. Gleichzeitig war er in Spionagetätigkeiten für die norwegische Gesandtschaft in Göteborg involviert. Er sah die Kvarstad-Schiffe als Gelegenheit, aus Schweden zu fliehen, da insbesondere seine provokativen Zeichnungen ihn zunehmend in Bedrängnis brachten.
Gescheiterte Flucht nach Großbritannien und Haft
Das Kvarstad-Schiff Storsten, mit dem Wilfred Jensenius nach Großbritannien fliehen wollte, lief am 1. April 1942 auf eine Seemine und wurde von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen. Er gelangte in einem Rettungsboot beim Jøssingfjord an die südnorwegische Küste. Dort wurde er am 4. April 1942 verhaftet und ins berüchtigte Gefängnis in der Festung Akershus in Oslo gebracht und verhört. Nach fünf Wochen brachte man ihn per Schiff ins Marineinternierungslager Milag/Malag Nord bei Bremen. Wie andere Besatzungsmitglieder der Kvarstad-Schiffe wurde Wilfred Jensenius vom SondergerichtAb dem 21. März 1933 in jedem Oberlandesgerichtsbezirk eingerichtet, dienten die Sondergerichte der schnellen strafrechtlichen Ahndung regimekritischen Verhaltens. In sog. Schnellverfahren wurden mehrere 1.000 Menschen unterschiedlicher Herkunft zum Tode verurteilt. Kiel wegen „landesverräterischer FeindbegünstigungNach § 91b Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) in der NS-Zeit definiert als das Leisten von Vorschub einer feindlichen Macht während eines Krieges bzw. bei einer drohenden kriegerischen Auseinandersetzung oder das Zufügen von Nachteilen der Kriegsmacht des Deutschen Reichs.“ zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.
Foto des Rettungsbootes, das Wilfred Jensenius von der sinkenden Storsten im April 1942 an die norwegische Küste brachte.
Gedenkstätte Wolfenbüttel
Zwangsarbeit in Sonnenburg und Wolfenbüttel
Vom Gefängnis Rendsburg kam Wilfred Jensenius in das ZuchthausDie Zuchthaushaft wurde als Freiheitsstrafe bei Kriminaldelikten zusammen mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verhängt. Die mildere Freiheitsstrafe war die Gefängnishaft. Unter dem NS-Regime wurden die im Zuchthaus verhängten Strafmaßnahmen, insbesondere Zwangsarbeit und Entbehrung, stark verschärft. Sonnenburg und im Sommer 1944 in das Strafgefängnis Wolfenbüttel. Während des Transports zum Zuchthaus Sonnenburg wurde ihm als politischer Gefangener Wasser verweigert. In einem Interview mit dem norwegischen Rundfunk Ende Mai 1945 in London beschrieb er die harten Zwangsarbeitsbedingungen in Sonnenburg und Wolfenbüttel. Die Arbeitszeit betrug elf Stunden und bei Verzögerungen der Arbeit wurde die Essensration gekürzt. In Sonnenburg musste er Gewehrriemen, Schulterriemen und Patronentaschen nähen. In Wolfenbüttel arbeitete er in der zur Werkstatt umfunktionierten Gefängniskirche an der Herstellung optischer Zielgeräte für Maschinengewehre für die Braunschweiger Firma Voigtländer & Sohn AG.
Betrieb der Firma Voigtländer & Sohn AG in der umfunktionierten Kirche des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Zeichnung, Wilfred Jensenius, 1945 (nach der Befreiung)
Gedenkstätte Wolfenbüttel
Auswirkungen der Haft
Nach der Befreiung aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden kehrte Wilfred Jensenius im Mai 1945 über London nach Norwegen als veränderter und von der Haft gezeichneter Mensch zu seiner Familie zurück. Er konnte seine vielversprechende Filmkarriere nicht fortsetzen. Zunächst arbeitete er bis 1948 als Zeichenlehrer an Osloer Schulen. Danach stieg er zwar wieder in die Filmindustrie ein, aber die Hafttraumatisierungen beschränkten seine Arbeitsfähigkeit immer wieder. Seine Erinnerungen an die Haftzeit hielt er in zahlreichen Zeichnungen fest.
Die Gedenkstätte Wolfenbüttel half Wilfred Jensenius bei der Aufarbeitung
Elisabeth Jensenius
Tochter von Wilfred Jensenius, 2018
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Mehr InformationenJahrzehntelange Entschädigungsbemühungen
Im September 1953 kontaktierte Helge Stray Johansen Wilfred Jensenius. Helge Stray Johansen strebte eine Schadensersatzklage von 13 norwegischen ehemaligen Gefangenen gegen die Firma Voigtländer & Sohn AG wegen ZwangsarbeitIm Verlauf des Zweiten Weltkriegs arbeiteten über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und Inhaftierte unter Zwang im Deutschen Reich. Sie waren vor allem in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. im Gefängnis Wolfenbüttel an. Die Klage kam nicht zustande.
Der Antrag von Wilfred Jensenius auf Entschädigung in der Bundesrepublik nach BEG wurde 1959 aufgrund der WohnsitzregelungLaut Bundesentschädigungsgesetz (BEG) waren nur diejenigen anspruchsberechtigt, die zum 31. Dezember 1952 oder davor ihren Wohnsitz im Bundesgebiet bzw. im früheren Deutschen Reich hatten sowie ihre Hinterbliebenen. Auch Vertriebene, Staatenlose und Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention hatten einen Anspruch. zurückgewiesen. Im Juli 1960 stellte er einen weiteren, letztendlich erfolgreichen Antrag auf Haftentschädigung nach dem GlobalabkommenZwischen 1959 und 1964 schloss die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Entschädigungsabkommen mit zwölf westeuropäischen Staaten. Darin wurden Pauschalzahlungen vereinbart, mit denen alle Entschädigungsansprüche abgegolten werden sollten. Die Verteilung der Gelder oblag jeweils dem Empfängerstaat. zwischen Norwegen und der Bundesrepublik. Ab 1968 erhielt er zudem eine Kriegsopferrente. Henry Brym, 1963-1964 Vorsitzender und bis 1982 Sekretär des KrigsinvalideforbundetDer „Kriegsinvalidenverband“, gegründet 1954, war als Dachorganisation in Norwegen für militärische und zivile Vereinigungen die Interessenvertretung für alle Kriegsgeschädigten, die z.B. für die Verbesserung der Kriegsopferrente eintrat., war mit Wilfred Jensenius und seiner Frau Gerd Rogne Jensenius lebenslang befreundet und unterstütze ihn bei der Antragsstellung.
Wilfred Jensenius starb am 23. März 1999. Seine Witwe Gerd Rogne Jensenius beantragte 2001 erfolgreich Entschädigung für Zwangsarbeit bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ). Nach Stiftungsgesetz waren Hinterbliebene antragsberechtigt, wenn die betroffenen Verfolgten nach dem 16. Februar 1999 verstorben waren.
Engagement der Folgegeneration
Wilfred Jensenius Hafttraumatisierungen wirkten sich auf die ganze Familie aus. Laut seiner Tochter Elisabeth Jensenius durften im Elternhaus niemals Räume verschlossen bleiben. Grete Refsum, die Ehefrau seines Sohnes Jørgen Jensenius, berichtet von Alpträumen und Schlafproblemen, unter denen Vater und Sohn litten. Sie setzte sich als bildende Künstlerin mit Traumatisierungserfahrungen auseinander. Für ihren Ehemann schuf sie eine Nachbildung eines verloren gegangenen Reliefs, das ihr Schwiegervater nach seiner Rückkehr im Herbst 1945 als Geschenk für einen Mitgefangenen angefertigt hatte.
Die Schwarzdrossel machte den Gefangenen Mut
Grete Refsum
Schwiegertochter von Wilfred Jensenius, 2018
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