Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 3002 Nr. 643621
Wilfred Jensenius Portrait

Wilfred Jensenius

10. Januar 1911 – 23. März 1999

Leben vor der Haft

Wilfred Jensenius wurde am 10. Januar 1911 in Oslo als das jüngste von vier Kindern geboren. Er arbeitete in Oslo als Zeichner und Karikaturist und begann in den frühen 1930er Jahren eine Karriere in der Filmindustrie als Regisseur und Produzent. Nach seiner Heirat 1938 wurde die Tochter Elisabeth 1939 geboren. Nur wenige Tage nach der deutschen Besatzung Norwegens floh die Familie Jensenius im April 1940 nach Schweden.

Widerstand durch Karikaturen

Wilfred Jensenius arbeitete in Stockholm als Karikaturist für die Zeitung Nordens Frihet (Die Freiheit des Nordens), die eine kritische Haltung gegenüber dem Faschismus einnahm und die Befreiung Skandinaviens von der deutschen Besatzung unterstützte. Gleichzeitig war er in Spionagetätigkeiten für die norwegische Gesandtschaft in Göteborg involviert. Er sah die Kvarstad-Schiffe als Gelegenheit, aus Schweden zu fliehen, da insbesondere seine provokativen Zeichnungen ihn zunehmend in Bedrängnis brachten.

Gescheiterte Flucht nach Großbritannien und Haft

Das Kvarstad-Schiff Storsten, mit dem Wilfred Jensenius nach Großbritannien fliehen wollte, lief am 1. April 1942 auf eine Seemine und wurde von deutschen Jagdflugzeugen angegriffen. Er gelangte in einem Rettungsboot beim Jøssingfjord an die südnorwegische Küste. Dort wurde er am 4. April 1942 verhaftet und ins berüchtigte Gefängnis in der Festung Akershus in Oslo gebracht und verhört. Nach fünf Wochen brachte man ihn per Schiff ins Marineinternierungslager Milag/Malag Nord bei Bremen. Wie andere Besatzungsmitglieder der Kvarstad-Schiffe wurde Wilfred Jensenius vom Sondergericht Kiel wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung“ zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt.

Foto des Rettungsbootes, das Wilfred Jensenius von der sinkenden Storsten im April 1942 an die norwegische Küste brachte.

Gedenkstätte Wolfenbüttel
Wilfred Jensenius Rettungsboot sinkende Storsten

Zwangsarbeit in Sonnenburg und Wolfenbüttel

Vom Gefängnis Rendsburg kam Wilfred Jensenius in das Zuchthaus Sonnenburg und im Sommer 1944 in das Strafgefängnis Wolfenbüttel. Während des Transports zum Zuchthaus Sonnenburg wurde ihm als politischer Gefangener Wasser verweigert. In einem Interview mit dem norwegischen Rundfunk Ende Mai 1945 in London beschrieb er die harten Zwangsarbeitsbedingungen in Sonnenburg und Wolfenbüttel. Die Arbeitszeit betrug elf Stunden und bei Verzögerungen der Arbeit wurde die Essensration gekürzt. In Sonnenburg musste er Gewehrriemen, Schulterriemen und Patronentaschen nähen. In Wolfenbüttel arbeitete er in der zur Werkstatt umfunktionierten Gefängniskirche an der Herstellung optischer Zielgeräte für Maschinengewehre für die Braunschweiger Firma Voigtländer & Sohn AG.

Wilfred Jensenius Zeichnung Essensausgabe

Essensausgabe im Haus I des Strafgefängnisses Wolfenbüttel.
Zeichnung Wilfred Jensenius, 1945 (nach der Befreiung).

Gedenkstätte Wolfenbüttel

Handschriftliche Erklärung von Wilfred Jensenius zum Entschädigungsantrag nach BEG, 29.09.1956. Landesarchiv NRW – Abteilung Rheinland – BR 3002 Nr. 643621

Betrieb der Firma Voigtländer & Sohn AG in der umfunktionierten Kirche des Strafgefängnisses Wolfenbüttel. Zeichnung, Wilfred Jensenius, 1945 (nach der Befreiung)

Gedenkstätte Wolfenbüttel
Wilfred Jensenius Zeichnung Betrieb Voigtländer und Sohn Kirche Strafgefängnis

Auswirkungen der Haft

Nach der Befreiung aus dem Zuchthaus Brandenburg-Görden kehrte Wilfred Jensenius im Mai 1945 über London nach Norwegen als veränderter und von der Haft gezeichneter Mensch zu seiner Familie zurück. Er konnte seine vielversprechende Filmkarriere nicht fortsetzen. Zunächst arbeitete er bis 1948 als Zeichenlehrer an Osloer Schulen. Danach stieg er zwar wieder in die Filmindustrie ein, aber die Hafttraumatisierungen beschränkten seine Arbeitsfähigkeit immer wieder. Seine Erinnerungen an die Haftzeit hielt er in zahlreichen Zeichnungen fest.

Die Gedenkstätte Wolfenbüttel half Wilfred Jensenius bei der Aufarbeitung

Elisabeth Jensenius
Tochter von Wilfred Jensenius, 2018

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Jahrzehntelange Entschädigungsbemühungen

Im September 1953 kontaktierte Helge Stray Johansen Wilfred Jensenius. Helge Stray Johansen strebte eine Schadensersatzklage von 13 norwegischen ehemaligen Gefangenen gegen die Firma Voigtländer & Sohn AG wegen Zwangsarbeit im Gefängnis Wolfenbüttel an. Die Klage kam nicht zustande.

Der Antrag von Wilfred Jensenius auf Entschädigung in der Bundesrepublik nach BEG wurde 1959 aufgrund der Wohnsitzregelung zurückgewiesen. Im Juli 1960 stellte er einen weiteren, letztendlich erfolgreichen Antrag auf Haftentschädigung nach dem Globalabkommen zwischen Norwegen und der Bundesrepublik. Ab 1968 erhielt er zudem eine Kriegsopferrente. Henry Brym, 1963-1964 Vorsitzender und bis 1982 Sekretär des Krigsinvalideforbundet, war mit Wilfred Jensenius und seiner Frau Gerd Rogne Jensenius lebenslang befreundet und unterstütze ihn bei der Antragsstellung.

Wilfred Jensenius starb am 23. März 1999. Seine Witwe Gerd Rogne Jensenius beantragte 2001 erfolgreich Entschädigung für Zwangsarbeit bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ). Nach Stiftungsgesetz waren Hinterbliebene antragsberechtigt, wenn die betroffenen Verfolgten nach dem 16. Februar 1999 verstorben waren.

Wilfred Jensenius Atelier

Wilfred Jensenius 1972 in seinem Atelier.

Privatbesitz Elisabeth Jensenius

Engagement der Folgegeneration

Wilfred Jensenius Hafttraumatisierungen wirkten sich auf die ganze Familie aus. Laut seiner Tochter Elisabeth Jensenius durften im Elternhaus niemals Räume verschlossen bleiben. Grete Refsum, die Ehefrau seines Sohnes Jørgen Jensenius, berichtet von Alpträumen und Schlafproblemen, unter denen Vater und Sohn litten. Sie setzte sich als bildende Künstlerin mit Traumatisierungserfahrungen auseinander. Für ihren Ehemann schuf sie eine Nachbildung eines verloren gegangenen Reliefs, das ihr Schwiegervater nach seiner Rückkehr im Herbst 1945 als Geschenk für einen Mitgefangenen angefertigt hatte.

Die Schwarzdrossel machte den Gefangenen Mut

Grete Refsum
Schwiegertochter von Wilfred Jensenius, 2018

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Nachbildung (2017) von Grete Refsum eines Reliefs ihres Schwiegervaters Wilfred Jensenius. Es zeigt seine Haftsituation im Strafgefängnis Wolfenbüttel.

Gedenkstätte Wolfenbüttel
Wilfred Jensenius Nachbildung Relief Grete Refsum