Roger Mahieu in seinem Antrag auf den Status „bewaffneter Widerstandskämpfer“, 11. August 1948 (Auszug)

Belgisches Nationalarchiv, Statut bewaffneter Widerstandskämpfer, F1944, RA 42047
Roger Mahieu Portrait

Roger Mahieu

13. Mai 1923 – 8. Oktober 2018

Leben vor der Haft

Roger Mahieu wurde am 13. Mai 1923 in Ypern, Westflandern (Belgien) geboren. Bis zu seiner Verhaftung studierte er und arbeitete als Aushilfe im Versorgungsdienst von Meulebeke.

Widerstand und Verhaftung

Roger Mahieu trat im Juli 1942 der Widerstandsorganisation Geheim Leger bei und wurde am 17. Dezember 1942 im Alter von 19 Jahren aufgrund seiner Zugehörigkeit verhaftet.

Über die Wehrmachtsgefängnisse Gent und Brügge, das Zuchthaus Bochum, das Strafgefangenenlager Esterwegen und das Zuchthaus Sonnenburg kam Roger Mahieu als „Nacht- und Nebel“-Gefangener mit der Nummer 578 in das Strafgefängnis Wolfenbüttel. Dort wurde er im Juni 1944 registriert. Am 2. September 1943 war er durch den Volksgerichtshof wegen „Feindbegünstigung“ zu vier Jahren Haft verurteilt worden.

Im Strafgefängnis Wolfenbüttel musste Roger Mahieu für die Braunschweiger Firma Voigtländer & Sohn arbeiten und mit anderen Strafgefangenen Zielfernrohre und Monokulare für die Wehrmacht herstellen. Voigtländer & Sohn war im Frühjahr 1944 die größte produzierende Firma auf dem Gelände des Strafgefängnisses Wolfenbüttel.

Roger Mahieu Zeichnung Wilfred Jensenius Betrieb Voigtländer und Sohn Kirche Strafgefängnis

Betrieb der Firma Voigtländer & Sohn in der Kirche des Strafgefängnisses
Zeichnung: Wilfred Jensenius, 1945 (nach der Befreiung)

Gedenkstätte Wolfenbüttel

Am 7. April 1945 wurde Roger Mahieu zusammen mit 300 „Nacht-und Nebel“-Gefangenen und 50 zum Tode Verurteilten aufgrund der herannahenden alliierten Truppen vom Strafgefängnis Wolfenbüttel über Magdeburg in das Zuchthaus Brandenburg-Görden verlegt. Hier kam er am 11. April 1945 an.

Roger Mahieu Hafteingang Zuchthaus Brandenburg Görden

Hafteingang Roger Mahieu im Zuchthaus Brandenburg-Görden, 1945

BLHA, Rep. 29 Zuchthaus Brandenburg Nr. Do. 10, Bl. 57.

Roger Mahieu wurde am 27. April 1945 durch sowjetische Truppen befreit und kehrte am 8. Juni 1945 nach Belgien zurück. Er litt nach seiner Haft an einer Knochenkrankheit, die auf Unterernährung und Entbehrungen zurückzuführen war.

Entschädigung

Am 22. September 1948 wurde Roger Mahieu durch das Ministerium für Wiederaufbau, Abteilung Brügge, als „politischer Gefangener“ anerkannt. Zunächst wurde ihm eine finanzielle Entschädigung sowie weitere Sonderzahlungen für die Haftzeit von Dezember 1942 bis April 1945 zugesprochen.

Auch seinem Antrag auf Anerkennung als „bewaffneter Widerstandskämpfer“ gab das Ministerium für nationale Verteidigung, Abteilung Widerstand am 9. Februar 1949 statt. Als Zeitraum der Anerkennung galt hier der 1. Juli 1942, der Tag seines Eintritts in die Organisation Geheim Leger, bis zum Tag vor seiner Rückkehr nach Belgien, der 7. Juni 1945.

Am 16. März 1950 beantragte Roger Mahieu, dass der Zeitraum der Anerkennung seiner Haft als „politischer Gefangener“ bis zu seiner Rückkehr nach Belgien im Juni 1945 verlängert werden sollte. Im August 1953 wurde der Antrag bewilligt. Als Haftzeit wurden damit 30 volle Monate festgelegt.

Aus dem Globalabkommen Belgiens mit Deutschland erhielt Roger Mahieu zwischen 1962 und 1965 aufgrund seines Status als „politischer Gefangener“ Zahlungen. Am 20. Februar 2001, im Alter von 78 Jahren, beantragte Roger Mahieu Zahlungen aus dem im August 2000 eingerichteten Fond zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeiter*innen.

Roger Mahieu war Ehrenvorsitzender der politischen Gefangenen, Abteilung Tielt. Am 8. Oktober starb er und wurde in der Krypta der politischen Gefangenen in Meulebeke beigesetzt.

Roger Mahieu Todesanzeige

Todesanzeige Roger Mahieus, 2018

inmemoriam.be