Entschädigung für NS-Verfolgte in Norwegen
Krieg und deutsche Besatzung
1940-1945
Am 9. April 1940 überfiel das Deutsche Reich Norwegen. Der norwegische König Haakon VII. und dessen Regierung verweigerten die Kapitulation und riefen die Bevölkerung zum Widerstand auf. Am 7. Juni 1940 flohen sie per Schiff nach London und bildeten dort eine Exilregierung. Am 10. Juni 1940 ergaben sich die norwegischen Streitkräfte. Nach dem Scheitern einer Übergangsregierung wurde Vidkun Quisling, Vorsitzender und Gründer der faschistischen Partei Nasjonal SamlingNasjonal Samling Die „Nationale Vereinigung“ war die von Vikun Quisling 1933 gegründete faschistische Partei Norwegens, die ab September 1940 als einzig zugelassene Partei und unter seiner Führung ab Februar 1942 als Regierungspartei agierte., am 1. Februar 1942 Regierungschef. Die Zivilbevölkerung litt unter Nahrungsmittelknappheit und Handelseinschränkungen. Massive Fluchtbewegungen, z.B. in das neutrale Schweden, waren die Folge. Von den ca. 2.100 Jüdinnen und Juden in Norwegen wurden ca. 770 deportiert und der allergrößte Teil in Konzentrationslagern ermordet. Die deutsche Besatzung endete mit der Kapitulation am 8. Mai 1945.
Der norwegische Widerstand und NortrashipNortraship Schiffe der norwegischen Handelsmarine, die sich der norwegischen Exilregierung anschlossen, fuhren für die norwegische Reedereiorganisation Norwegian Shipping & Trade Mission (NORTRA), abgekürzt Nortraship, mit Sitz in London und New York.
Der Widerstand innerhalb Norwegens umfasste zahlreiche militärische und zivile Widerstandsorganisationen. Die größte militärische Organisation war die MilorgMilorg Abkürzung für militær organisasjon (militärische Organisation), größte militärische Widerstandsorganisation in Norwegen, die ab November 1941 der norwegischen Exilregierung in London unterstand und mit der Special Operations Executive (Spezialeinsatztruppe) des britischen Nachrichtendienstes kooperierte. Bis Mai 1945 hatte die Milorg ca. 40.000 Personen ausgebildet mit ca. 40.000 Personen im Mai 1945. Außerhalb des Landes formierten sich Teile der norwegischen Handelsmarine und Spezialkommandos gemeinsam mit britischen Streitkräften gegen die Wehrmacht. Zum Zeitpunkt des deutschen Überfalls auf Norwegen befand sich ein Großteil der Handelsmarine im Ausland. Einige schlossen sich der norwegischen Exilregierung an und fuhren für die neu gegründete Norwegian Shipping & Trade Mission (Nortraship). Sie sorgten für lebenswichtige Rohstoff- und Nahrungsmittelimporte nach Großbritannien und halfen, wichtige Rüstungsgüter für die alliierte Kriegsführung wie z.B. Kugellager aus Schweden zu transportieren.
„Diese Medaille bedeutete ihm sehr viel.“
Anne Moe
Tochter von Johannes Moe, 2024
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Mehr InformationenSoforthilfen, Entschädigungs- und Kriegsopferversorgungsgesetz
1945-1947
Der norwegische Staat begann unmittelbar nach Kriegsende mit Soforthilfen für norwegische politische Häftlinge in Form von Kleiderhilfen, Erholungsurlaub und kleineren Unterstützungszahlungen. Im Dezember 1946 und April 1947 wurde zudem auf Empfehlung des Kriegsskadekomité (Kriegsschädenkomitees) vom norwegischen Parlament, Storting, ein Gesetz zur Kriegsopferversorgung und zur Entschädigung verabschiedet. Beide enthielten jedoch strenge Nachweiskriterien. Voraussetzung für Entschädigung war ein nachgewiesener „Verlust an Wohlstand“, der durch die Haft entstanden war. Für die Kriegsopferrente musste belegt werden, dass die körperlichen Schäden durch Kriegsvorgänge verursacht worden waren.
Die Rolle der Kriegsopferrente in Norwegen
Die strengen Kriterien der Kriegsopferrente riefen Unzufriedenheit und Proteste hervor und führten 1954 zur Gründung des KrigsinvalideforbundetKrigsinvalideforbundet Der „Kriegsinvalidenverband“, gegründet 1954, war als Dachorganisation in Norwegen für militärische und zivile Vereinigungen die Interessenvertretung für alle Kriegsgeschädigten, die z.B. für die Verbesserung der Kriegsopferrente eintrat. (Kriegsinvalidenverband) 1954. Im Laufe der 1960er Jahre wurden die strengen Invaliditätskriterien gelockert. Im 1968 verabschiedeten Gesetz zur Kriegsopferversorgung wurde die Nachweispflicht erleichtert und es konnten auch psychische Schäden und Krankheiten wie z.B. das „KZKonzentrationslager Seit März 1933 im Reichsgebiet und später in den besetzten Gebieten errichtete Haftstätten, zunächst für Gegner*innen des NS-Regimes, deren Alltag durch willkürlich ausgeübte Gewalt und Terror geprägt war. Die Gestapo war für die Einweisung von KZ-Häftlingen zuständig und bediente sich hierzu dem Instrument der sog. Schutzhaft. Die Häftlingsgemeinschaft war einer lagerinternen Hierarchie unterworfen und wurde ab 1942 verstärkt zur Zwangsarbeit in der deutschen Rüstungsindustrie herangezogen. Auf diese Weise fielen tausende Insassen dem nationalsozialistischen Programm „Vernichtung durch Arbeit“ zum Opfer.-Syndrom“ als Spätfolgen anerkannt werden. Die Rentenzahlungen und die Zahl der Berechtigten wurden dadurch erheblich erhöht. Der Krigsinvalideforbundet unterstützte eine Vielzahl von NS-Verfolgten bei der erneuten Antragsstellung. Die Kriegsopferrente, die teilweise als „Ehrenrente“ angesehen wurde, nahm daher eine wichtige Rolle in der Anerkennung der NS-Verfolgung in der Nachkriegszeit ein.
„Ich erinnere mich, dass wir mit ihm dort waren“
Jan Westby
Sohn von Arne Helge Westby
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Mehr InformationenDer Kampf um Entschädigung durch die Bundesrepublik Deutschland in den 1950er Jahren
In den 1950er Jahren mehrten sich in Norwegen die Forderungen nach Entschädigung durch die Bundesrepublik Deutschland. Ausschlaggebend war insbesondere der Wollheim-ProzessWollheim-Prozess Der Auschwitz-Überlebende Norbert Wollheim reichte 1950 die erste Musterklage gegen die I.G. Farbenindustrie AG i.L. ein. In einem Globalvergleich im Februar 1957 verpflichtete sich I.G. Farben, 30 Millionen DM an ehemalige Zwangsarbeiter*innen zu zahlen. Die Entschädigungsansprüche gegen die I.G. Farben wurden im vom Bundestag erlassenen Aufrufgesetz vom April 1957 geregelt. und die damit verbundenen Schadensersatzzahlungen an ehemalige Zwangsarbeiter*innenZwangsarbeit Im Verlauf des Zweiten Weltkriegs arbeiteten über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und Inhaftierte unter Zwang im Deutschen Reich. Sie waren vor allem in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. von IG Farben in Ausschwitz. Zudem wurde kritisiert, dass die bestehenden deutschen Entschädigungsgesetze ausländische NS-Verfolgte weitgehend ausschlossen. Der Ende 1955 aus verschiedenen Häftlingsverbänden zusammengesetzte ErstatnisrådErstatnisråd Der „Entschädigungsrat“ wurde unter der Leitung von Leif Nordstrand 1955 in Oslo als Interessenvertretung verschiedener Gefangenenverbände mit dem Ziel der Entschädigung norwegischer Häftlinge durch die Bundesrepublik gegründet. zeigte in den Medien starke öffentliche Präsenz und unterstütze individuelle Entschädigungsanträge in der BRD. Durch die Verabschiedung des BEGBundesentschädigungsgesetz BEG Das rückwirkend ab Oktober 1953 geltende Gesetz war das erste bundeseinheitliche geltende Entschädigungsgesetz für Menschen, die während des Nationalsozialismus Enteignung, Zwangsarbeit, Deportation und Lagerhaft erleiden mussten. Anspruchsberechtigt waren Personen, die zum 31. Dezember 1952 oder davor ihren Wohnsitz im Bundesgebiet bzw. im früheren Deutschen Reich hatten sowie ihre Hinterbliebenen. Ausländische NS-Verfolgte waren von dem Gesetz somit zum großen Teil ausgeschlossen. im Juni 1956 und die darin enthaltene Wohnsitzklausel wurde jedoch der Entschädigungsausschluss endgültig. Ab 1958 strebte der Erstatnisråd daher eine zwischenstaatliche Globalabfindung für norwegische Opfer an.
GlobalabkommenGlobalabkommen Zwischen 1959 und 1964 schloss die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Entschädigungsabkommen mit zwölf westeuropäischen Staaten. Darin wurden Pauschalzahlungen vereinbart, mit denen alle Entschädigungsansprüche abgegolten werden sollten. Die Verteilung der Gelder oblag jeweils dem Empfängerstaat. mit der Bundesrepublik Deutschland,
1959-1962
Nach viermonatiger Verhandlungszeit schlossen Deutschland und Norwegen im August 1959 europaweit das erste bilaterale Entschädigungsabkommen. Im Februar und März 1960 wurde es vom Storting und Bundestag ratifiziert. Norwegen erhielt eine Zahlung von 60 Millionen DM, umgerechnet 100 Mio. norwegische Kronen (NOK). Das Gesetz zur Verteilung dieser Entschädigungszahlungen für politische Gefangene trat am 25. März 1960 in Kraft und unterteilte die Zahlungen in drei Kategorien: Freiheitsentzug, Invalidität und Hinterbliebene. Bei „Freiheitsentzug“ wurde die Haft in KZs der in Gefängnissen gleichgesetzt. Häftlingsorganisationen waren an der Ausarbeitung des Gesetzes beteiligt und setzten z.B. die Priorisierung von Hinterbliebenen und Invaliden durch. Der Entschädigungsprozess war im Dezember 1962 abgeschlossen. Insgesamt wurden nur 1.800 (7%) der ca. 24.700 Anträge abgelehnt.