Im ersten Teil unseres Blogposts konntet ihr mehr über die belgischen Inhaftierten und ihre Bedeutung für unser Pilotprojekt „Ewige Zuchthäusler?!“ erfahren. Im zweiten Teil wollen wir euch mehr über unsere Archivreise nach Belgien berichten, die wir Anfang Juli durchführen konnten.
Da zu einer Archivreise viel Vorbereitung dazugehört, haben wie uns seit Beginn des Projektes einen Überblick über den Forschungsstand und die verschiedenen Archivbestände, die sich mit Entschädigung von in Wolfenbüttel inhaftierten beschäftigen, befasst. Wir haben umfangreich recherchiert, welche gesetzlichen Regelungen zur Entschädigung in Belgien geschaffen wurden und welche Institutionen an der Umsetzung beteiligt waren.
Vor Ort in Belgien führte uns unsere Recherche als erstes ins CegeSoma (Centre d’études et de documentation guerre et société contemporaine/Studie- en Documentatiecentrum Oorlog en Hedendaagse Maatschappij), wo wir vor allem Akten der CNPPA/ NCPGR recherchieren – wie in Teil I beschrieben, war die CNPPA als Dachverband der politischen Gefangenen ein wichtiger Akteur bei der Einforderung und Umsetzung von Entschädigung. Der Verband gab einen großen Teil ihres Archivs in den Jahren 2007 und 2008 an das CegeSoma. In den Akten lassen sich Reaktionen auf die Etablierung von verschiedenen Entschädigungsregelungen in Belgien, individuelle Unterstützung von Mitgliedern, Berichte von Tagungen und vieles mehr finden.
Der zweite wichtige Anlaufpunkt bei unserer Reise war der Archivdienst für Kriegsopfer – ebenso wie das CegeSoma eine Abteilung des Belgischen Staatsarchivs. Das Archiv ging aus dem 1945 gegründeten Ministerium für Kriegsopfer hervor, das nach dem Krieg vielfältige Aufgaben übernahm: die Suche nach vermissten Personen, die Sammlung von Unterlagen über Inhaftierung von Belgiern im In- und Ausland sowie in den nachfolgenden Jahren auch die generelle Unterstützung von zivilen Opfern des Krieges und die Anerkennung durch bestimmte Statuten, zum Beispiel als bewaffneter oder ziviler WiderstandskämpferStatut „ziviler Widerstandskämpfer“ Im Dezember 1946 in Belgien verabschiedetes Statut. Anspruchsberechtigt für dieses Statut waren Personen belgischer Nationalität, die aktiv am Kampf gegen den Feind teilgenommen hatten, jedoch kein Teil einer bewaffneten Widerstandsgruppe gewesen waren. oder politischer GefangenerStatut „politischer Gefangener“ Das im Februar 1947 in Belgien verabschiedete Statut berücksichtigte Menschen belgischer Nationalität, die aus politischen Gründen länger als 30 Tage in Gefangenschaft waren, Misshandlung erlitten oder hingerichtet worden waren. Es unterschied zwischen „Begünstigten“ und Personen, denen aus „patriotischen oder selbstlosen Gründen“ ein Titel verliehen wurde, was viele jüdische Verfolgte ausschloss. Auch Angehörige konnten Anträge für Verstorbene stellen.. Von dieser Anerkennung hing schließlich auch die Auszahlungen von Kriegsopferrenten oder Entschädigungsleistungen ab. Hier wurden wir für eine vorher festgelegte exemplarische Auswahl an Personen fündig.
Unterlagen aus dem sogenannten „Fond du Milliard“ gaben uns zusätzlich Einblicke, welche Personen Zahlungen aus dem sogenannten GlobalabkommenGlobalabkommen Zwischen 1959 und 1964 schloss die Bundesrepublik Deutschland bilaterale Entschädigungsabkommen mit zwölf westeuropäischen Staaten. Darin wurden Pauschalzahlungen vereinbart, mit denen alle Entschädigungsansprüche abgegolten werden sollten. Die Verteilung der Gelder oblag jeweils dem Empfängerstaat. 1960 zwischen Belgien und Deutschland weitere Entschädigungszahlungen erhalten haben.
Schließlich trafen wir uns mit dem Vorsitzenden der CNPPA/ NCPGR, Edmond Eycken und Bernard Theunis (Vorsitzender Vriendenkring oud-politieke gevangene van Esterwegen en Nacht und Nebel) und erhielten im persönlichen Gespräch weitere Einblicke in die Arbeit des Verbandes. Vielen herzlichen Dank!
Wir danken auch Nico Wouters, Fabrice Maerten und Gertjan Desmet (CegeSoma) sowie Gert De Prins (Archivdienst für Kriegopfer) sehr herzlich dafür, dass sie uns für unser Projekt mit Rat und Tat zu Seite stehen.