Aussage des Belgiers Jean Delmotte, 28. März 1947 (Auszug)

Archivdienst für Kriegsopfer, Belgisches Staatsarchiv, Statut Prisonnier Politique, PP 190343 cal 25063

Camille-Remy Lambert

3. November 1919 – ?

Leben vor der Haft

Camille-Remy Lambert wurde am 03. November 1919 im belgischen Ixelles geboren und war Viehhändler. 1942 arbeitete er zusammen mit dem Bauern Emile Marot und half abgeschossenen alliierten Piloten auf der Flucht nach Großbritannien sowie untergetauchten jüdischen Jugendlichen. Dafür wurden beide verhaftet und mehrere Monate festgehalten, im August 1921 jedoch wieder freigelassen.

Verhaftung

Am 6. Juni 1943 wurde Camille-Remy Lambert erneut verhaftet und durch das Gericht der Oberfeldkommandatur Charleroi zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Er hatte laut Urteil mit Fleisch und Butter Schwarzhandel betrieben. Nach eigener und später bezeugter Aussage im Verfahren um seinen Antrag auf den Status „politischer Gefangener“ gab er dieses Fleisch und andere Nahrungsmittel an untergetauchte Jüdinnen und Juden ab.

Zunächst war er in Belgien in Haft und wurde am 30. September 1943 in das Strafgefängnis Wolfenbüttel verlegt, in dem er am 20. April 1943 ankam. Aktenkundig wurde, dass er dort eine Arreststrafe von sieben Tagen verbüßen musste, da er aus seinem Bettzeug Taschentücher hergestellt hatte.

Das ursprüngliche Haftende war der 22. Juli 1944. Am 10. März 1944 ordnete der für Camille-Remy Lambert zuständige Heeresjustizoberinspektor an:

„In der Strafsache […] wurden dem Bestraften LAMBERT […] für die letzten 3 – drei – Monate der von ihm noch zu verbüßenden Strafe Strafaussetzung bis zur Beendigung des Kriegszustandes gewährt.“

Schreiben des Heeresjustizoberinspektors an die Verwaltung des Strafgefängnisses Wolfenbüttel, 10. März 1944 (Auszug)

Quelle: NLA Wolfenbüttel

Aufgrund dieser Verfügung konnte er April 1944 in seine Heimatstadt Houyet in Belgien zurückkehren.

Camille Remy Lambert Bescheinigung Mitgliedschaft Armée Belge des Partisans

Bescheinigung über Camille-Remy Lamberts Mitgliedschaft in der Armée Belge des Partisans, 15. Juli 1964

Belgisches Nationalarchiv. Statut bewaffneter Widerstandskämpfer, F1944, box nr. 1647

Zurück in Belgien leistete er erneut Widerstand gegen die deutschen Besatzer und trat in die Armée Belge des Partisans ein. Nach dem Krieg wechselte er häufig den Arbeits- und Wohnort. Er heiratete und verließ seine Ehefrau und die gemeinsame Tochter wieder.

Entschädigung

Camille-Remy Lambert stellte einen Antrag auf Anerkennung als „politischer Gefangener“ sowie auf die damit verbundene Entschädigung. Der Streit um Anerkennung zwischen ihm und der Kommission, die den Antrag bearbeitete, prägte dabei maßgeblich den Verlauf des Verfahrens, wobei seine Motive und Verhalten während der Besatzungszeit und seiner Inhaftierung in Frage gestellt wurden.

Der Bauer Emile Marot machte im April 1950 eine Aussage bei der Polizei von Hoyuet und beschuldigte Camille-Remy Lambert, ihn im Zuge ihrer ersten Verhaftung und den anschließenden Verhören denunziert zu haben. Unter anderem habe Camille-Remy Lambert der Gestapo gesagt, Emile Marot kenne eine Fluchtroute nach England und habe Kontakte zu Widerstandsgruppen in Lüttich und Namur.

Nach der Darstellung des Anwalts von Camille-Remy Lambert waren die Beschuldigungen Emile Marots jedoch Verleumdungen. Ehemalige Mitinhaftierte, wie zum Beispiel Jean Delmotte, bezeugten nach dem Krieg, dass er sich im Gefängnis als „Patriot“ erwiesen und beispielsweise Arbeitsmittel sabotiert habe.

Erklärung des ehemaligen belgischen Gefangenen Jean Delmotte zu Camille-Remy Lambert, 28. März 1947

Archivdienst für Kriegsopfer, Belgisches Staatsarchiv, 
Statut Prisonnier Politique, PP 190343 cal 25063

Camille-Remy Lambert wies die Anschuldigung des Schwarzhandels zu Gewinnzwecken zurück und erklärte, er habe die Lebensmittel kostenlos an versteckte Jüdinnen und Juden weitergegeben. Für diese Haltung war eine Anerkennung als „politischer Gefangener“ per Gesetz explizit möglich.

Die Gegendarstellung des Staatsvertreters basierte auf der Glaubwürdigkeit von Emile Marots Aussagen und den Ergebnissen der Gendarmerieuntersuchung, die finanziellen Motive für Camille-Remy Lamberts Vergehen feststellte. Der Genehmigungsausschuss lehnte nach Prüfung der Dokumente den Antrag auf den Status „politischer Gefangener“ ab, da sie den Ausschlussgründen des Gesetzes von 1947 folgte und die finanziellen Beweggründe als ausschlaggebend betrachtete.

Am 10. Januar 1951 wurde daher nur seine Widerstandstätigkeit im Jahr 1944 aufgrund aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Armée Belge des Partisans als „bewaffneter Widerstandskämpfer“ anerkannt. Als Dauer in Widerstandsbewegung wurden acht Monate, vom 8. April 1944 bis zum 17. November 1944, festgehalten.

Die verschiedenen Statuten der nationalen Anerkennung waren in Belgien sehr stark auf bestimmte Widerstandshandlungen zugeschnitten. Die Anerkennung Camille-Remy Lamberts in der Armée Belge des Partisansbedeutete nicht, dass er deshalb auch als politischer Gefangener galt, da die Inhaftierung vorher erfolgte.