Alf Pahlow Andresen, 2003

Alf Pahlow Andresen Portrait

Alf Pahlow Andresen

27. Oktober 1918 – 4. September 2005

Leben vor der Haft und Kriegsdienst

Alf Pahlow Andresen wurde am 27. Oktober 1918 in Kristiansand geboren und wuchs nach dem frühen Tod der Mutter bei Verwandten in Oslo auf. Seinen Interessen folgend, trat er nach dem Abitur 1939 in die norwegische Militärakademie ein, um die dreijährige Offiziersausbildung zu absolvieren. Nach dem deutschen Überfall im April 1940 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Er kämpfte um die Rettung des norwegischen Staatsgoldes und die Verteidigung Norwegens. Die norwegische Kapitulation im Juni 1940 beendete seinen Kriegsdienst.

Widerstand, Flucht und Haft

Nach dem gescheiterten Versuch, mit anderen Widerstandskämpfern eine Untergrundzeitschrift zu gründen, floh Alf Pahlow Andresen im Mai 1941 nach Schweden. Die geplante weitere Flucht nach Großbritannien von Göteborg aus an Bord des Kvarstad-Schiffes D/S Skytteren, auf dem sich ebenfalls Arne Westby  und Helge Stray Johansen befanden, misslang. Er wurde inhaftiert und zunächst ins Internierungslager Malag/Milag Nord bei Bremen verbracht. Im April 1943 wurde er wegen „landesverräterischer Feindbegünstigung“ vom Sondergericht Kiel zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Als verurteilter „Nacht- und Nebel“-Gefangener durchlief er die Gefängnisse und Zuchthäuser Rendsburg, Sonnenburg, Wolfenbüttel und, nach Zwischenstation in Magdeburg, Brandenburg-Görden. Ab Winter 1944 litt er an schwerer Tuberkulose, insbesondere aufgrund der harten Zwangsarbeit und den zunehmend schwierigen Haftbedingungen in „überfüllten Kellern“.

Alf Pahlow Andresen Zeichnung Kvarstad-Schiffe

Zwei Kvarstad-Schiffe während der Überfahrt. Zeichnung (Ausschnitt), Wilfred Jensenius, 1945 (nach der Befreiung).

Gedenkstätte Wolfenbüttel

Haftauswirkungen beeinträchtigten die Karriere

Nachdem sowjetische Truppen am 27. April 1945 das Zuchthaus Brandenburg-Görden befreit hatten, gelang es Alf Pahlow Andresen mit mehreren norwegischen Mitgefangenen bei Magdeburg, US-Truppen zu erreichen. Von dort wurde er nach Großbritannien geflogen und im norwegischen Krankenhaus in London wegen Tuberkulose behandelt. Bei seiner Rückkehr nach Norwegen im Sommer 1945 sah er sich nur noch als „Rest seiner selbst“ und musste seine Karrierepläne ändern. Von der Gefangenschaft gezeichnet, wechselte er vom militärischen in den zivilen Verteidigungssektor. Er arbeitete sowohl im norwegischen Verteidigungsministerium als auch bei der NATO in Brüssel als Teil der norwegischen Delegation und im NATO-Hauptquartier Nord in Oslo.

Alf Pahlow Andresen Grafik Haftverlauf Kvarstad-Schiffe

Grafik über den Haftverlauf der Besatzungen aller Kvarstad-Schiffe. Alf Pahlow Andresens Haftverlauf von der Skytteren ist rot markiert.

Alf Pahlow Andresen, Durch Nacht und Nebel. 
Ein norwegischer Widerstandskämpfer in deutschen Gefängnissen. 
Schriftenreihe der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, 2024.

Kampf um Entschädigung in den 1950er und 1960er Jahren

Alf Pahlow Andresen hatte sich im September 1953 an der geplanten Schadensersatzklage wegen Zwangsarbeit von Helge Stray Johansen beteiligt. Zudem beantragte er im Juni 1960 Haftentschädigung im Rahmen des Globalabkommens zwischen der Bundesrepublik und Norwegen. Er erhielt im November 1960 Haftentschädigung für 37 Monate.

Erneute Entschädigungsbemühungen ab 2001

Im Juni 2001 stellte er Antrag auf Entschädigung für Zwangsarbeit bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ). Laut Stiftungsgesetz erhielten ehemalige KZ-Häftlinge und Häftlinge von geschlossenen Ghettos in Kategorie A bis zu 15.000 DM, während für Kategorie B, ehemalige Zwangsarbeiter*innen in der Industrie, maximal 5.000 DM vorbehalten waren. Alf Pahlow Andresen beantragte Entschädigung in Kategorie A für Slavearbeid (Sklavenarbeit) bei der IOM. Er gab an, in den NS-Zuchthäusern Rendsburg, Sonnenburg, und Brandenburg-Görden und in den NS-Strafgefängnissen Wolfenbüttel und Magdeburg schwerste Zwangsarbeit geleistet zu haben und deswegen an Tuberkulose erkrankt gewesen zu sein.

"Du siehst also, dass wir noch immer als Zuchthäusler behandelt werden, und das sollen wir nach Meinung deutscher Juristen für alle Ewigkeit sein. Wir sind und bleiben Kriminelle, ein Standpunkt, der, milde ausgedrückt, schockierend ist."

Stigmatisierung als „ewiger Zuchthäusler“?

Im Februar und März 2003 beschwerte sich Alf Pahlow Andresen bei dem befreundeten Jochen Pöhlandt, dass bislang nur in KZs inhaftierte ehemalige Besatzungsmitglieder der Kvarstad-Schiffe Entschädigung für Zwangsarbeit erhalten hatten. Er hingegen war ausschließlich in NS-Gefängnissen gewesen. Daher sah er sich als „ewiger Zuchthäusler“, der aus deutscher Sicht als Krimineller und nicht als NS-Opfer angesehen wurde. Wenige Monate später wurde Alf Pahlow Andresen von der IOM im Juli 2003 tatsächlich nicht in die Kategorie A für KZ-Häftlinge, sondern Kategorie B für Industrie-Zwangsarbeiter*innen eingestuft. Er legte dagegen im Oktober 2003 Einspruch ein.

Alf Pahlow Andresen Einspruchsschreiben Seite 1

Einspruchsschreiben Alf Pahlow Andresen an die IOM, 1. Oktober 2003

Bundesarchiv Berlin,
IOM-Antrag Nr.1087221 Alf Pahlow Andresen

Späte Revidierung

Diesen Einspruch zog er im Januar 2004 zurück, da die Hochstufung von Kategorie B zu A zwischenzeitlich erfolgt war. Im August 2003 waren alle NS-Gefängnisse und Zuchthäuser, in denen er inhaftiert gewesen war, von der Stiftung EVZ als KZ-ähnliche Haftorte anerkannt worden. Alf Pahlow Andresen verstarb jedoch, bevor der ihm nun zustehende höhere Restbetrag der Entschädigung 2006 ausgezahlt wurde.