Alf Pahlow Andresen, 2003
Leben vor der Haft und Kriegsdienst
Alf Pahlow Andresen wurde am 27. Oktober 1918 in Kristiansand geboren und wuchs nach dem frühen Tod der Mutter bei Verwandten in Oslo auf. Seinen Interessen folgend, trat er nach dem Abitur 1939 in die norwegische Militärakademie ein, um die dreijährige Offiziersausbildung zu absolvieren. Nach dem deutschen Überfall im April 1940 wurde er zum Kriegsdienst einberufen. Er kämpfte um die Rettung des norwegischen Staatsgoldes und die Verteidigung Norwegens. Die norwegische Kapitulation im Juni 1940 beendete seinen Kriegsdienst.
Widerstand, Flucht und Haft
Nach dem gescheiterten Versuch, mit anderen Widerstandskämpfern eine Untergrundzeitschrift zu gründen, floh Alf Pahlow Andresen im Mai 1941 nach Schweden. Die geplante weitere Flucht nach Großbritannien von Göteborg aus an Bord des Kvarstad-Schiffes D/S Skytteren, auf dem sich ebenfalls Arne Westby und Helge Stray Johansen befanden, misslang. Er wurde inhaftiert und zunächst ins Internierungslager Malag/Milag Nord bei Bremen verbracht. Im April 1943 wurde er wegen „landesverräterischer FeindbegünstigungNach § 91b Reichsstrafgesetzbuch (RStGB) in der NS-Zeit definiert als das Leisten von Vorschub einer feindlichen Macht während eines Krieges bzw. bei einer drohenden kriegerischen Auseinandersetzung oder das Zufügen von Nachteilen der Kriegsmacht des Deutschen Reichs.“ vom SondergerichtAb dem 21. März 1933 in jedem Oberlandesgerichtsbezirk eingerichtet, dienten die Sondergerichte der schnellen strafrechtlichen Ahndung regimekritischen Verhaltens. In sog. Schnellverfahren wurden mehrere 1.000 Menschen unterschiedlicher Herkunft zum Tode verurteilt. Kiel zu fünf Jahren Gefängnisstrafe verurteilt. Als verurteilter „Nacht- und Nebel“-Gefangener durchlief er die Gefängnisse und Zuchthäuser Rendsburg, Sonnenburg, Wolfenbüttel und, nach Zwischenstation in Magdeburg, Brandenburg-Görden. Ab Winter 1944 litt er an schwerer Tuberkulose, insbesondere aufgrund der harten ZwangsarbeitIm Verlauf des Zweiten Weltkriegs arbeiteten über 13 Millionen zivile Zwangsarbeiter*innen, Kriegsgefangene und Inhaftierte unter Zwang im Deutschen Reich. Sie waren vor allem in der Rüstungsindustrie und in der Landwirtschaft eingesetzt. und den zunehmend schwierigen Haftbedingungen in „überfüllten Kellern“.
Zwei Kvarstad-SchiffeDas NS-Regime scheiterte im Frühjahr 1942 mit dem Versuch der Beschlagnahmung – auf Schwedisch Kvarstad – von zehn Schiffen der norwegischen Handelsmarine im Hafen von Göteborg. Am 1. April 1942 versuchten diese Schiffe mit Rüstungsgütern und Widerstandskämpfer*innen von Schweden nach Großbritannien zu gelangen. Zwei Schiffe erreichten ihr Ziel, die restlichen acht wurden durch die deutsche Kriegsmarine versenkt oder durch die eigene Mannschaft gesprengt. Die Besatzungen wurde gefangen genommen. während der Überfahrt. Zeichnung (Ausschnitt), Wilfred Jensenius, 1945 (nach der BefreiungBelgien: Das komplette Staatsgebiet Belgiens wurde am 4. Februar 1945 befreit. Niederlande: Im September 1944 konnte durch die Alliierten nur ein kleiner Teil im Süden der Niederlande befreit werden. Das restliche Staatsgebiet wurde am 5. Mai 1945 befreit. Norwegen: Die Besatzung endete mit der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945.).
Gedenkstätte Wolfenbüttel
Haftauswirkungen beeinträchtigten die Karriere
Nachdem sowjetische Truppen am 27. April 1945 das ZuchthausDie Zuchthaushaft wurde als Freiheitsstrafe bei Kriminaldelikten zusammen mit dem Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte verhängt. Die mildere Freiheitsstrafe war die Gefängnishaft. Unter dem NS-Regime wurden die im Zuchthaus verhängten Strafmaßnahmen, insbesondere Zwangsarbeit und Entbehrung, stark verschärft. Brandenburg-Görden befreit hatten, gelang es Alf Pahlow Andresen mit mehreren norwegischen Mitgefangenen bei Magdeburg, US-Truppen zu erreichen. Von dort wurde er nach Großbritannien geflogen und im norwegischen Krankenhaus in London wegen Tuberkulose behandelt. Bei seiner Rückkehr nach Norwegen im Sommer 1945 sah er sich nur noch als „Rest seiner selbst“ und musste seine Karrierepläne ändern. Von der Gefangenschaft gezeichnet, wechselte er vom militärischen in den zivilen Verteidigungssektor. Er arbeitete sowohl im norwegischen Verteidigungsministerium als auch bei der NATO in Brüssel als Teil der norwegischen Delegation und im NATO-Hauptquartier Nord in Oslo.
Grafik über den Haftverlauf der Besatzungen aller Kvarstad-Schiffe. Alf Pahlow Andresens Haftverlauf von der Skytteren ist rot markiert.
Alf Pahlow Andresen, Durch Nacht und Nebel.
Ein norwegischer Widerstandskämpfer in deutschen Gefängnissen.
Schriftenreihe der Gedenkstätte in der JVA Wolfenbüttel, 2024.
Kampf um Entschädigung in den 1950er und 1960er Jahren
Alf Pahlow Andresen hatte sich im September 1953 an der geplanten Schadensersatzklage wegen Zwangsarbeit von Helge Stray Johansen beteiligt. Zudem beantragte er im Juni 1960 Haftentschädigung im Rahmen des Globalabkommens zwischen der Bundesrepublik und Norwegen. Er erhielt im November 1960 Haftentschädigung für 37 Monate.
Erneute Entschädigungsbemühungen ab 2001
Im Juni 2001 stellte er Antrag auf Entschädigung für Zwangsarbeit bei der Internationalen Organisation für Migration (IOM) als Partnerorganisation der Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ). Laut Stiftungsgesetz erhielten ehemalige KZ-Häftlinge und Häftlinge von geschlossenen Ghettos in Kategorie A bis zu 15.000 DM, während für Kategorie B, ehemalige Zwangsarbeiter*innen in der Industrie, maximal 5.000 DM vorbehalten waren. Alf Pahlow Andresen beantragte Entschädigung in Kategorie A für Slavearbeid (Sklavenarbeit) bei der IOM. Er gab an, in den NS-Zuchthäusern Rendsburg, Sonnenburg, und Brandenburg-Görden und in den NS-Strafgefängnissen Wolfenbüttel und Magdeburg schwerste Zwangsarbeit geleistet zu haben und deswegen an Tuberkulose erkrankt gewesen zu sein.
"Du siehst also, dass wir noch immer als Zuchthäusler behandelt werden, und das sollen wir nach Meinung deutscher Juristen für alle Ewigkeit sein. Wir sind und bleiben Kriminelle, ein Standpunkt, der, milde ausgedrückt, schockierend ist."
Stigmatisierung als „ewiger Zuchthäusler“?
Im Februar und März 2003 beschwerte sich Alf Pahlow Andresen bei dem befreundeten Jochen Pöhlandt, dass bislang nur in KZs inhaftierte ehemalige Besatzungsmitglieder der Kvarstad-Schiffe Entschädigung für Zwangsarbeit erhalten hatten. Er hingegen war ausschließlich in NS-Gefängnissen gewesen. Daher sah er sich als „ewiger Zuchthäusler“, der aus deutscher Sicht als Krimineller und nicht als NS-Opfer angesehen wurde. Wenige Monate später wurde Alf Pahlow Andresen von der IOM im Juli 2003 tatsächlich nicht in die Kategorie A für KZ-Häftlinge, sondern Kategorie B für Industrie-Zwangsarbeiter*innen eingestuft. Er legte dagegen im Oktober 2003 Einspruch ein.
Einspruchsschreiben Alf Pahlow Andresen an die IOM, 1. Oktober 2003
Bundesarchiv Berlin,
IOM-Antrag Nr.1087221 Alf Pahlow Andresen
Späte Revidierung
Diesen Einspruch zog er im Januar 2004 zurück, da die Hochstufung von Kategorie B zu A zwischenzeitlich erfolgt war. Im August 2003 waren alle NS-Gefängnisse und Zuchthäuser, in denen er inhaftiert gewesen war, von der Stiftung EVZ als KZ-ähnliche Haftorte anerkannt worden. Alf Pahlow Andresen verstarb jedoch, bevor der ihm nun zustehende höhere Restbetrag der Entschädigung 2006 ausgezahlt wurde.